Entwickelt Medikamente bis zur Marktreife: Dr. Matthias Klinger, Amgen

« Rückschläge sind immer auch Herausforderungen, um den Wirkmechanismus eines Medikaments noch genauer zu verstehen. »

Matthias Klinger


Nachgefragt ...

Dr. Klinger, welcher Weg hat Sie in Ihr Forschungsfeld geführt? Gab es einen speziellen Moment, in dem diese berufliche Entscheidung gefällt wurde?

Ich habe an der Universität Regensburg Biochemie und während eines Austauschjahres an der Washington University in St. Louis Immunologie studiert. Außerdem habe ich als Werkstudent für einen Venture Capital Fund viele biotechnologische Start-Up-Unternehmen kennengelernt, deren innovative Ansätze im Bereich der Krebstherapien mich begeistert haben. Daher war mir klar, dass ich nach dem Studium im Gebiet der Tumorimmunologie promovieren wollte. Dafür habe ich mich für das Start-Up-Unternehmen Micromet in München entschieden, das mit der "bispecific T-cell engager" (BiTE®) -Technologie einen neuartigen Wirkmechanismus zur Zerstörung von Krebszellen durch bestimmte Immunzellen untersucht und auf für mich ideale Weise angewandte Forschung mit der Entwicklung eines Medikaments verbunden hat. Anfang 2012 wurde Micromet durch den US-Biotechnologiekonzern Amgen übernommen, der die BiTE®-Technologie seitdem insbesondere an seinem Münchner Forschungsstandort stetig weiterentwickelt und bereits ein auf dieser Technologie basierendes Medikament zugelassen bekommen hat.

Was wird durch Ihre Arbeit besser?

Vor zehn Jahren war die Immuntherapie von Krebs ein neuartiges und revolutionäres Konzept, das noch vor seinem klinischen Durchbruch stand. Aus heutiger Sicht hat sie zu einem Paradigmenwechsel bei der Behandlung von Krebserkrankungen geführt, da sie für viele Patienten eine zusätzliche Therapieoption neben den bestehenden Behandlungsmethoden wie der Chemotherapie eröffnet. In meiner täglichen Arbeit entwickle ich weitere auf der BiTE®-Technologie basierende Moleküle für den späteren Einsatz in unterschiedlichen Tumorindikationen, die noch spezifischer und damit verträglicher, aber gleichzeitig äußerst effizient sind. Dadurch kann Patienten immer häufiger eine individuelle, maßgeschneiderte Therapie angeboten werden, die letztlich den Therapieerfolg und die Chancen auf Heilung erhöht.

Welchen größten Durchbruch haben Sie bisher (mit)erreicht?

Für mich persönlich war das sicher die Zulassung des ersten BiTE®-Antikörperkonstrukts Blinatumomab für die Behandlung von Patienten mit B-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie. Hier konnten zum ersten Mal die potentesten Abwehrzellen des Immunsystems, sogenannte T-Zellen, klinisch erfolgreich eingesetzt werden, um zielgerichtet und hocheffizient Krebszellen zu zerstören. Dabei hatte ich das Glück, den komplexen Entwicklungsprozess eines vollständig neuartigen Medikaments über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zu begleiten - von der frühen klinischen Entwicklung bis zur Zulassung. Zusammen mit immunmodulierenden Antikörpern und genetisch modifizierten T-Zellen hat dieser Erfolg sicher entscheidend zu unserem heutigen Verständnis der Immuntherapie beigetragen

Gab es im Laufe Ihrer bisherigen Karriere auch Rückschläge, mit denen Sie zurechtkommen mussten? Wie haben Sie sich trotzdem weiter motiviert?

Natürlich kommt es gerade bei der Entwicklung eines neuartigen Medikaments auch zu Rückschlägen, zum Beispiel aufgrund unerwarteter Nebenwirkungen. Rückschläge sind immer auch Herausforderungen, um den Wirkmechanismus eines Medikaments durch gezielte Forschung noch genauer zu verstehen, um dadurch etwa die Verträglichkeit weiter zu verbessern. Letztlich ist dies auch der Motor für Innovation. Am meisten motiviert mich aber der persönliche Kontakt zu Patienten, denen wir mit unseren Medikamenten helfen konnten und die sich dafür bei uns bedanken.

Was wollen Sie in Ihrem Forscherleben einmal erreichen?

Es wäre ein großer Erfolg, wenn alle Krebspatienten geheilt werden könnten. Daher möchte ich persönlich weiterhin dazu beitragen, neue, auf dem Konzept der Immuntherapie basierende Medikamente gegen Krebs zu entwickeln. Dazu gehört einerseits Grundlagenforschung, um die Prozesse der Krebsentstehung sowie die Funktion des Immunsystems noch detaillierter zu verstehen, andererseits aber auch angewandte Forschung und die Entwicklung innovativer Moleküle, um dieses umfangreiche Wissen einer möglichst großen Patientenzahl in Form neuer Therapien zugänglich zu machen.


Zur Pharmaforschung kam Dr. Matthias Klinger über ein Biochemiestudium, in dessen Rahmen er ein Jahr lang Immunologie in St. Louis studierte. In den USA lernte Matthias Klinger Start-up-Unternehmen kennen, die sich mit Medikamentenentwicklung befassten. Die große Nähe dieser Unternehmen zum medizinischen Alltag in Kliniken ermöglichten Klinger Einblicke in Proben von Patienten, die er in einem großen Unternehmen kaum zu Gesicht bekommen hätte. Zurück in Deutschland promovierte Klinger beim Start-up Micromet, wo er mit seinem Team einen innovativen Therapieheilversuch entwickelte. Ein Junge, der schon mit fünf Jahren als "austherapiert" galt, konnte mit dieser Methode geheilt werden. Motivierender kann ein Beruf kaum sein.